Freiheit und Grundrecht in Zeiten von Corona
Die FDP-Michendorf beschäftigte sich daher bei einem digitalen Stammtisch am 18.06.2020 mit der Frage, ob diese Eingriffe in die Freiheiten des Bürgers rechtmäßig waren oder ob der Staat, vertreten durch die Bundesregierung, möglicherweise letztendlich die Grenzen der Verhältnismäßigkeit überschritten hat.
Im Ergebnis zeigte der spannende Diskurs zwischen den Teilnehmern auf, dass die Diskussion über die seit Monaten andauernden Freiheitsbeschränkungen endlich vom Kopf auf die Füße gestellt werden müssen. Denn die politischen Entscheidungsträger in unserem Land und nicht zuletzt die Bundeskanzlerin dürfen nicht darüber nachdenken, wann ihnen „Lockerungen“ vertretbar oder geboten erscheinen. Anders herum wird erst ein Schuh draus! Unsere politischen Entscheidungsträger müssen - täglich - darüber nachdenken, ob es (noch) Gründe gibt, die Grundrechte, mit anderen Worten, die Freiheit aller Bürger dieses Landes, einzuschränken. Um eine unsägliche Formulierung der Bundeskanzlerin aufzugreifen und ins rechte Licht zu rücken: Es ist und es war zu jeder Zeit die Pflicht der politischen Entscheidungsträger „Öffnungsdiskussionsorgien“ zu führen. Und es wäre die Aufgabe der Medien in unserem Land gewesen, auf diese offensichtlich verdrehte Sichtweise hinzuweisen. Beide, für unsere Demokratie zentrale Säulen, haben hier versagt.
Die Freiheit wird uns durch den Staat nämlich nicht aufgrund von „Lockerungen“ gegeben. Die individuelle Freiheit ist vielmehr der Grundsatz. So heißt es in Art. 2 Abs. 1 unseres Grundgesetzes:
„Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“
Diese zentrale Regelung lässt sich für den Nichtjuristen frei wie folgt übersetzen:
„Grundsätzlich kann jeder tun und lassen was er will.“
Auch wenn die Freiheit des Einzelnen in einer Gemeinschaft natürlich nicht schrankenlos ist und sein kann, führt vor diesem Hintergrund auch das Wort „Lockerungen“ in die Irre, und wir wundern uns, gerade als Liberale, schon sehr, dass auch die Medien es ständig und unkritisch im Munde führen. Der Staat lockert nicht, er schränkt weiterhin die Freiheit ein, nur weniger. Daher muss der Staat nicht die „Lockerungen“ begründen. Vielmehr muss es eine Begründung für die noch vorhandenen Freiheitseinschränkungen geben. Dieser Gedanke führt zum zweiten Teil der Erkenntnisse aus der Diskussion zwischen den Teilnehmern. Gab und gibt es tragfähige Gründe für die Einschränkungen?
Die Bundeskanzlerin hatte zunächst das hehre Ziel ausgegeben, eine Überlastung des Gesundheitswesens verhindern zu wollen; die prognostizierte Erkrankungswelle sollte abgeflacht werden. Jetzt wissen wir, dass diese Gefahr - zum Glück – zu keinem Zeitpunkt bestand. Vielmehr standen über viele Wochen, ja sogar Monate, bis zu 150.000 Betten in den Krankenhäusern leer, darunter nicht wenige Intensivbetten. Dieses Argument trägt also spätestens seit Mitte April nicht mehr. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, dass keine Überlastung des Gesundheitswesens droht, wenn sie objektiv überhaupt jemals bestand. Angesprochen hatte die Bundeskanzlerin auch die sog. Verdopplungszeit, also den Zeitraum, in dem sich die Zahl der Infizierten in Deutschland verdoppelt. Dieser Zeitraum müsse - so die Bundeskanzlerin - zehn Tage betragen, später wurden daraus 14 Tage. Auch diese Ziele sind seit Monaten erreicht und weit, weit übertroffen; heute, am 11.7.2020, beträgt die Verdopplungszeit - selbst im mit Abstand am stärksten betroffenen Bundesland (NRW) - satte 147 Tage. Ausgegeben wurde durch die Bundeskanzlerin sodann das Ziel, den sog. R-Wert, die Reproduktionszahl unter den Wert von eins zu drücken. Dieses Ziel war nach Angaben des RKI schon im März erreicht, und zwar bevor überhaupt der sog. Lockdown in Kraft trat, Die Bundesregierung und die Landesregierungen werden also die Frage zu beantworten haben, welchem konkreten Ziel die Maßnahmen seit Mitte April dienten.
Der allgemeine Hinweis auf den Schutz der allgemeinen Gesundheit reicht jedenfalls nicht, um die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz vieler Menschen u.a. durch die Berufsausübungsverbote für die Gastronomen, Einzelhändler usw. zu rechtfertigen. Und es geht hier eben nicht nur um die wirtschaftliche Existenz. Die Freiheitseinschränkungen gefährden ebenfalls die Gesundheit vieler Menschen. Wir müssen keine Mediziner sein, um sagen zu können: Angst, Existenzangst und die durch die Maßnahmen zunehmende Armut machen krank.
Zum Schluss wurde noch ein weiterer Punkt angesprochen: Die Maskenpflicht. Auch wenn die Mediziner hier keineswegs einer Meinung sind, wollen wir davon ausgehen, dass die Maske einen Sicherheitsgewinn für die Gemeinschaft mit sich bringt. Es weiß aber niemand, wie groß dieser Gewinn ist und insbesondere ist es nicht geklärt, welche gesundheitlichen und auch wirtschaftlichen Nebenwirkungen die Maskenpflicht hat. Erinnert sei nur an die verständlichen Klagen der vielen kleinen Einzelhändler: wer macht denn schon mit Maske einen Einkaufsbummel? Allein ein eventuell möglicher Sicherheitsgewinn ist deshalb keine Rechtfertigung dafür, die Menschen, die keine Maske tragen wollen, dazu zu zwingen. Die Freiheit des Menschen liegt nämlich nicht unbedingt darin, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will (frei nach: Jean-Jacques Rousseau). Und wo kommen wir auch hin, wenn wir diesen Gedanken zu Ende denken. Wollen wir, mit Blick auf die Selbst- und Fremdgefährdung, auf der Autobahn nur noch Tempo 60 zulassen, oder besser vielleicht gleich das Autofahren verbieten, vielleicht zumindest den Menschen über 60? Auch Alkohol könnte mit dieser Argumentation gänzlich verboten werden, usw. Nein, das darf nicht der Weg für unsere Gesellschaft sein. Immer weniger Freiheit, immer mehr Verbote und Gebote durch den Staat im Tausch gegen eine vermeintliche Sicherheit?
Um allen Missverständnissen vorzubeugen: Die FDP-Michendorf hat sich in ihrem Diskurs ausdrücklich von irgendwelchen Verschwörungstheorien distanziert. Gleichwohl bestand Konsens darüber, dass die bloße Hinnahme der jeweiligen Beschränkungen in dieser Form nicht zum Standard werden darf und dass das Narrativ, mit dem die Bundesregierung bisher jede „Lockerung“ als „Geschenk“ an den Bürger verkauft, einer dringenden Richtigstellung bedarf. Denn Einschränkungen in die Freiheiten des Einzelnen bedürfen bei aller Vor- und Fürsorgepflicht des Staates jeden einzelnen Tag immer wieder der Überprüfung auf ihre Rechtmäßigkeit hin. Der Schutz der individuellen Freiheiten jeden Bürgers ist und bleibt ein wichtiges Gut, für das es sich zu kämpfen lohnt. Die Freien Demokraten haben hierfür eine klare Orientierung: Freiheit, Verantwortung, Mut und Weltoffenheit. Es war daher nie so wichtig, wie in dieser Zeit, für die eigenen Grundfreiheiten einzutreten und es bleibt festzuhalten, dass Gesundheit und Freiheit auch in Zeiten von Corona keinen Gegensatz darstellen. Mit großer Achtsamkeit für die aktuelle politische Lage möchten wir daher einen der Gründervater der Vereinigten Staaten, Benjamin Franklin, zitieren:
Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.
Helfen Sie mit, unsere Freiheit zu bewahren; gerne in der FDP Michendorf.
Udo Spuhl & Axel Lipinski-Mießner