Meinungsfreiheit vor Hausdurchsuchung – Warum § 188 StGB reformiert werden muss

In einer freiheitlichen Demokratie ist Kritik an politischen Amtsträgern nicht nur zulässig, sondern notwendig. Dass sie nicht immer höflich oder sachlich daherkommt, liegt in der Natur der Sache. Das Strafrecht darf dabei nur dort eingreifen, wo die Grenze zur gezielten Verleumdung oder Hetze überschritten wird – nicht jedoch bei pointierter, zugespitzter oder gar satirischer Meinungsäußerung. § 188 StGB, der die sogenannte „Politikerbeleidigung“ unter besondere Strafe stellt, wurde 2021 verschärft. Seither genügt bereits eine einfache Beleidigung, wenn sie sich gegen eine „im politischen Leben stehende Person“ richtet. Besonders gravierend: Nach § 194 Abs. 4 StGB ist für die Strafverfolgung kein Antrag mehr erforderlich. Die Staatsanwaltschaft kann – und tut es zunehmend – auch ohne jede Initiative des Betroffenen tätig werden. In der Praxis führt das zu einer massiven Ausweitung staatlicher Ermittlungen in Bereichen, die früher vom Schutzbereich des Art. 5 GG gedeckt waren. Verschärft wird dieser Trend durch den Einsatz technischer Systeme. Das Start-up „So Done“ etwa analysiert mittels künstlicher Intelligenz öffentlich zugängliche Kommentare auf potenziell strafbare Inhalte. Liegt ein entsprechender Treffer vor, übernimmt eine angeschlossene Kanzlei die juristische Durchsetzung – inklusive Strafanzeige und zivilrechtlicher Abmahnung. Es handelt sich dabei um ein gewerblich betriebenes Modell, bei dem politische Kritik mitunter zur Grundlage kostenpflichtiger rechtlicher Schritte wird. In der Konsequenz drohen Bürgern nicht nur Ermittlungsverfahren, sondern auch anwaltliche Zahlungsaufforderungen. Solche Verfahren sind nicht bloß theoretische Konstellationen: Hausdurchsuchungen wegen satirischer Memes, Ermittlungen wegen polemischer Wortwahl und Abmahnungen wegen Kritik an Regierungsmitgliedern sind dokumentierte Realität. Das Anliegen, Hasskriminalität konsequent zu verfolgen, ist berechtigt. Doch es stellt sich die Frage, ob § 188 StGB in seiner heutigen Fassung diesem Ziel gerecht wird – oder ob er nicht vielmehr dazu geeignet ist, die Schwelle zur Strafbarkeit so weit abzusenken, dass berechtigte Kritik in die Defensive gerät. Das Strafrecht darf nicht zur Verwaltung politischer Empfindlichkeiten degenerieren. Ich plädiere daher für eine Reform des § 188 StGB: Er muss wieder klar zwischen ehrverletzender Hetze und legitimer Kritik unterscheiden. Die Meinungsfreiheit endet nicht dort, wo sich ein Amtsträger persönlich getroffen fühlt. Sie endet erst dort, wo bewusst Tatsachen falsch behauptet werden oder die Grenze zur Schmähkritik klar überschritten ist. Wir als FDP Michendorf treten für einen freiheitlichen Rechtsstaat ein, der nicht nur vom Bürger Loyalität fordert, sondern ihm auch das offene Wort zutraut. Wer in einer Demokratie Verantwortung trägt, muss mit Widerspruch rechnen – und aushalten können, was man selbst vielleicht nicht hören will. Genau darin liegt ihre Stärke. Michendorf, den 25.04.2025 RA Axel Lipinski-Mießner Ortsvorsitzender FDP Michendorf Mitglied des Kreistags Potsdam-Mittelmark